Sehr geehrter Herr Autor einer grossen Tageszeitung.

Als Mitglied der Generation XYZ (und übrigens nicht konstant gehätschelt und gepflegt durch Lehrer oder Arbeitgeber) bin ich sehr oft mit Ihrem Vorwurf „Die Jugend rebelliert nicht!“ konfrontiert und er frustriert mich zutiefst. Ihren zweiten Vorwurf  „die Jugend schafft es nicht einmal den Status Quo aufrechtzuerhalten“ macht für mich dagegen keinen Sinn. Den SQ aufrechtzuerhalten würde ja bedeuten nicht zu rebellieren - da wir dies anscheinend nicht können verändern wir aber offenbar trotzdem etwas? Der erste Vorwurf verneint diesen Umstand ja gerade. Ich sehe hier nichts als Widersprüche. 

Zum ersten Vorwurf würde ich aber gerne etwas sagen: Ich habe oft den Eindruck dass Menschen solche Aussagen nur dazu verwenden, um damit zu betonen wie rebellisch sie selbst waren. Rebellion bezeichnet in jeder Hinsicht etwas aussergewöhnliches, etwas seltenes. Und ich denke auch in Ihrer Generation war Rebellion etwas, was nur durch einen Bruchteil der vorhandenen „Jungen“ ausgetragen wurde - während die meisten anderen wohl angepasster lebten als sie es heute vielleicht wahrhaben wollen. Ich kann mir kaum vorstellen dass das Verhältnis zwischen Rebellierenden und Angepassten früher anders war als heute. Und auch Sie waren garantiert mit Vorwürfen der Alten konfrontiert. Was ich damit sagen will: Das Muster der Kritik durch die Alten an die Jungen wiederholt sich ständig - nur wird es auch ständig wieder vergessen. 

Aus meiner kleinen, studentischen Blase kann ich Ihnen sagen: Ich wüsste nicht wogegen ich rebellieren sollte. Durch den Technikfortschritt erhalte ich auf Knopfdruck und innert Sekunden sämtliches Material für mein Studium, habe selbst in meinem Nebenjob Arbeitszeiten die mir trotzdem noch Freizeit ermöglichen und einen fairen Lohn, welcher nicht von meinem Geschlecht abhängig gemacht wird. Ich frage Sie also: wogegen sollte ich rebellieren? Was sollte ich fordern? Ich bin vollkommen zufrieden. Und ich denke ich spreche für viele wenn ich sage: Wir wissen woher unsere Vorteile kommen. Wir wissen, dass jahrzehntelang dafür gekämpft wurde und dass viele Leute unsere Möglichkeiten noch nicht hatten. Und ich denke auch, dass es nicht immer nur um Fortschritt um des Fortschritts Willen geht, sondern auch im Dankbarkeit. Es ist nicht verkehrt inne zu halten und zu schätzen was man hat - und dabei einfach glücklich zu sein. Lieber Herr Autor, vielleicht war die Tugend Ihrer Generation die Rebellion. Die unsere ist die Wertschätzung: Dafür was die Generationen vor uns bereits erreicht haben. Oder wie würden Sie es finden, wenn wir Ihre Errungenschaften mit Füssen treten würden?

Kommentare