Banalitäten


Die Haare lang und lockig, am Ansatz etwas fettig. Ein Frieda Kahlo Hoodie ("Make Art, not War!") und zerlöcherte Jeans, schwarze, mit Schlamm verkrustete Schnürschuhe. Das männliche Gegenstück dazu sah ganz ähnlich aus, wenn auch die Haare etwas weniger fettig waren, und die Jeans keine Löcher hatten. Beide beugten sich über eine kleine schwarze Papiertasche mit rosa Seidenpapier. Das Mädchen sah alle paar Sekunden verschämt zu mir herüber, während ihre Hände ein paar mit Glitzersteinchen besetzte Handschellen zutage förderten. Ich tat natürlich so, als würde mich das ganze Geschehen überhaupt nicht interessieren und sprach stattdessen mit meiner Sitznachbarin. Während der Junge also frisch fröhlich die Handschellen anprobierte, fügte sich seine Freundin wohl der peinlichen Situation und stellte sich schlafend. Für einen Moment kam ich mir fast wie auf einer Safari vor. Mit dem Unterschied dass ich keine Tiere, sondern ein echt kanadisches Teenagerpärchen in freier Wildbahn (im Bus) sah. 
Jetzt soll lachen wer möchte, aber ich war über diese kleine Begebenheit hoch erfreut. Nach fast 3 Monaten in Kanada hatte ich nämlich immer noch keine echten Kanadier getroffen. In meinem momentanen Wohnort besteht die Bevölkerung nämlich überwiegend aus Asiaten. Manchmal vergesse ich, dass ich mich in Nordamerika befinde, denn die meistgesprochene Sprache in öffentlichen Verkehrsmitteln scheint chinesisch zu sein. Oder koreanisch, ich kann das immer noch nicht so richtig unterscheiden. Genauso wie de Leute. (Ohne hier jemandem auf die Füsse zu treten natürlich.)
Wie auch immer, ich war in der Erwartung einer typischen Touristenfalle nach Victoria (einem kleinen, malerischen Küstenort auf einer Insel) gereist. Stattdessen verirrte ich mich an die wunderschöne Küste, kam auf der Suche nach der richtigen Stadt an hübschen Wohnquartieren vorbei, verfehlte alle Touristenattraktionen bis auf eine, unterhielt mich mit 3 richtigen Kanadiern, und fand etliche Weihnachtsgeschenke. Mit Freuden stellte ich fest, dass ich alles verstand was die Leute zu mir sagten, und wurde kein einziges Mal gefragt woher ich komme. 
Als ich dann auf meinem Weg nach Hause im Bus sass, und dem Teenagerpärchen schliesslich zusah, wie sie ihre Haare und Taschen zusammenrafften und in einem hässlichen Vorort ausstiegen, war das eigentlich das Highlight des Tages. Die banalsten Dinge im Ausland sind doch eigentlich immer die schönsten. 

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