Licht


Das Leben besteht aus Höhen und Tiefen. Diese Tatsache lernt man von klein auf, doch was bedeutet sie wirklich? Es bedeutet, dass, so pessimistisch es auch klingen mag, auf jeden Höhepunkt im Leben unweigerlich ein Tiefpunkt folgt. Früher oder Später. Er kann sich ankündigen durch langsames absteigen, manchmal kommt er völlig unvermittelt. Ein Tiefpunkt ist für mich wie ein tiefer, dunkler Brunnenschacht, in den man hineinfällt, oder manchmal auch gestossen wird. In jedem Fall kommt man aber wieder hoch, man sieht den kleinen runden hellen Fleck am Ende des Schachts, und findet die Leiter, die ins Licht zurückführt. Das ist, wie man aus Fehlern lernt, man findet einen Weg zurück, und weiss, wie man in Zukunft nicht wieder in diesen Schacht fällt. Der Wille dazu lässt die Leiter entstehen, lässt sie leuchten wie ein Rettungsanker.
Es gibt aber auch andere, dunklere und tiefere Schächte. Wenn man dort hineinfällt, dauert es lange, bis man überhaupt erst auf dem Grund aufschlägt. Erst dann wird einem das Ausmass dieses Schachts bewusst, und man muss versuchen einen Weg hinaufzufinden. Manchmal kann man aber nicht einmal den Ausgang, den kleinen runden Fleck sehen.  Man ist gefangen in feuchter Dunkelheit, alleine. Orientierungslos. Man hört zwar die Stimmen von oben, man hört die Ermutigungen, aber sie finden keinen wirklichen Weg nach unten. Genauso wie die eigene Stimme zwar nach oben schallt, aber nichts an der Situation ändern kann. Erst allmählich beginnt man auf dem Grund des Schachts etwas zu erkennen, vielleicht die eigene Hand vor Augen. Und man erkennt die Strickleitern, die die Stimmen heruntergelassen haben. Man beginnt sie zu erklettern, beginnt den langen Weg nach oben anzutreten. Aber die Strickleitern sind nicht die wahren Wege nach oben, sie helfen nur ein kurzes Stück bis zu einer kleinen Plattform. Auch von da kann man den sanften Lichtschimmer manchmal immer noch nicht sehen. Mit den Strickleitern erhält man auch Taschenlampen, deren Licht den engen Schacht zeitweise erhellen, man kann versuchen die eigene, metallene Leiter zu suchen, die nach ganz oben führt. Strickleiter, Taschenlampe und die Stimmen von oben sind wichtige Hilfsmittel, um zurück ins Licht zu finden. Aber den wahren Weg kann man nur selber finden, diese harte, beständige Leiter. Doch wie geht das? Wie kann man nach einem Weg suchen, wenn man nicht einmal weiss, wo das Ziel ist?
Man braucht wohl den Willen dazu. Und Mut. Sich den Weg ins Licht zu bahnen, bedeutet auch, Veränderung in Kauf zu nehmen: Die Welt sieht nach der Abwesenheit im Keller anders  aus. Wie gerne würde man die Welt wieder zurückhaben, so wie sie vor dem Sturz in den Keller aussah! Doch dies ist ein Wunschtraum. Was einmal war, kommt nicht zurück. Nur wer in den Keller stolpert, und nicht hineingestossen wird, vermag die Welt in etwa so zu bewahren, wie sie einst war. Mit seinem Handeln kann man versuchen, die Fehler zu beseitigen. Kommt die Ursache für den Fall aber eher von aussen, muss man lernen, sich mit der Veränderung abzufinden.  Wenn die Angst dazu überwunden ist, wird auch der Wille, und somit die Leiter nach oben kommen. Das Ziel wird erkennbar.
Aber im Moment kann ich den hellen Fleck einfach nicht sehen.

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