Der Kassettenrekorder und der leere Raum

 Als ich das senfgelbe Kleid überstreifte, fiel mir die Diskrepanz auf. Zwischen dem warmen Farbton und meiner Haut. Obwohl der Sommer erst gerade am Ausklingen war, könnte man meinen, dass ich die vergangenen Monate in einem Wintergebiet verbracht hatte. Die Diskrepanz erinnerte mich an andere Dinge in meinem Leben. Der Unterschied zwischen dem goldenen Herbstwetter und meiner inneren, leeren Stimmung. Der Unterschied zwischen der Begeisterung anderer über mein neuestes Lebensereignis und meiner Unfähigkeit, mich selbst darüber zu freuen. Der Unterschied zwischen „zur crème de la crème“ zu gehören und dann doch nicht gut genug zu sein für den Job. Der Unterschied zwischen dem Leben meiner Freunde, das weiterging - und meinem eigenen, das gerade still zu stehen scheint. Als ob jemand bei der Kassette meines Lebens auf Pause gedrückt hätte. Man könnte meinen, dies sei ein nützlicher Zustand. Einer, der es erlaubt, den Ist-Zustand zu reflektieren oder durchzuatmen. Tatsache ist aber, dass es nichts zu tun gibt. Es ist, als wäre ich alleine, in einem fensterlosen, leeren, weissen Raum, bei dem ich noch nicht einmal den Boden oder die Decke ausmachen könnte. Es gab nichts. Ausser mich, den Kassettenrekorder und einen grossen Koffer, den ich gerade für andere mit mir selbst herumtrug. Dieser war zum Bersten voll mit Suchterkrankungen, Kliniken, Streit, Erniedrigung, Traurigkeit, Distanz und dem Auseinanderbrechen von Strukturen. Jedes Mal, wenn ich auf die erneute Frage von „Wie geht es dir?“ mit „Gut“ antworte, wiegt dieser Koffer noch mehr als sonst. Manchmal wünschte ich, ich könnte diesen Koffer öffnen und den Menschen zeigen, was hinter der Fassade eigentlich alles sonst noch passiert. Aber ich weiss, das geht nicht. Meine Aufgabe schien es zu sein, den Koffer mitzutragen, bis er nicht mehr so viel wiegt. Manchmal fragte ich mich auch, ob sie etwas miteinander zu tun hatten, der weisse Raum und der Koffer. Ob zuerst das eine verschwinden müsste damit das andere auch ging. Ich weiss es nicht. Alles was ich mir wünsche, ist eine Tür. Die Möglichkeit, auf Play zu drücken und den Raum wieder zu verlassen. 

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