Exit

Ein Haus. Rundherum ein schöner Garten mit einem Hundezwinger. Tagsüber fällt das Sonnenlicht in sanftem Winkel durch die Fenster und erwärmt das Gebäude, während es in der blauen Nacht wieder erkaltet. Alles ist still. Fast könnte man den Staub hören der langsam aber kontinuierlich auf die verlassenen Gegenstände fällt. Fast könnte man das Gras hören, das sich langsam unter der Schneedecke hervorkämpft. Aber es gibt niemanden der diese Geräusche hören könnte. Die Bewohner dieses Hauses sind nicht da. Die Bewohner dieses Hauses werden bald sterben, genauso übereilt, wie sie ihr Haus verlassen haben.
Drehen wir die Zeit etwas zurück. Vor einigen Monaten war alles noch so wie es sein sollte. Dann wurde beim Herr des Hauses eine unheilbare Krankheit festgestellt, sodass er in wenigen Wochen nur noch ein Schatten seiner selbst geworden war. Daraufhin wurde der Hund so traurig, dass er eingeschläfert wurde, und einige Wochen darauf war auch das seltsame Verhalten der Ehefrau geklärt. Statt um die Trauer über ihren kranken Gatten handelte es sich wiederum um eine bösartige, unheilbare Krankheit, die ihr allmählich ihre Sprache und ihre Persönlichkeit raubte, und ihr nur noch wenig Zeit lässt.
Innerhalb kürzester Zeit wurden diese Menschen getrennt, ihr Leben umgekrempelt, und zack! vor ein Ende gestellt. Bei so viel Leid stellt sich auch unwiderruflich die Frage, für was diese Menschen all die Jahre gelebt haben, wenn es jetzt so unbarmherzig und würdelos beendet wird? Was hat es diesen Menschen gebracht, ihr Leben zu geniessen, wenn sie jetzt neidisch darauf zurückblicken müssen, oder sich nicht mal daran erinnern können? Das Leben scheint seinen Sinn gefunden zu haben. Darin dass man irgendwann sterben muss. Ist es nicht so, dass man ein Leben erst dann beurteilen kann, wenn die Person bereits tot ist? Der Tod hat ein grosses Gewicht bei dieser Beurteilung. War es ein schmerzvolles, mit Leid getränktes Ende, dann ist das ganze vorher gelebte Leben eigentlich nichtig. Aber wenn eine Person friedlich einschlafen kann, auch wenn sie davor ein elendes Leben geführt hatte, dann bemitleidet sie niemand. Sie hatte ja schliesslich einen schönen Tod.
Das ganze Leben scheint wie eine einzige Ausrede zu sein, wieso man nicht sterben sollte. Wir versuchen glücklich zu sein, und vergessen dabei, dass uns noch etwas sehr wichtiges bevorsteht. Dabei laufen wir alle stetig auf einem Weg zu einer Tür, die wir öffnen müssen, um diese Welt zu verlassen. Manchmal aber wird man unsanft bis ans Ende des Ganges gestossen. Genau wie die Bewohner des schönen leeren Hauses. 

Wir anderen können ihr Schicksal zwar nicht beeinflussen, indem wir es ungeschehen machen. Aber wir können es besser machen, indem wir das Ende versuchen schöner auszuschmücken, und indem wir allen Menschen das Recht zugestehen, selbst zu bestimmen, wie sie die Tür am Ende des Ganges passieren möchten. 

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