Flieg!


Sterben müssen alle. Das ist eine unausweichliche Tatsache. Doch leider kann man den Zeitpunkt dafür nicht selber bestimmen. Vorausgesetzt man möchte keinen Selbstmord begehen. Denn der Körper hat einen grösseren Lebenswillen, wenn der Verstand dies nicht hat. Und umgekehrt genauso.  Ist der Körper zu schwach, wird der Lebenswille eisern sein. Wenn man sich jetzt also zu Tode hungern wollte, oder einfach einschlafen und nicht mehr aufwachen wollte, dann würde das nicht funktionieren. Weil der Körper nicht sterben WILL. Er würde alles daran setzen, am Leben zu bleiben, nicht unterzugehen. Warum sind Körper und Geist so etwas Unterschiedliches, warum sind sie nicht miteinander im Einklang? Warum leben sie überhaupt zusammen, wenn das Zusammenspiel sowieso nicht funktioniert? 
Der Geist, die Seele kommt von einem anderen Ort, von einer anderen Welt. sie währt ewig. sie kann also nicht sterben. Wenn man jetzt sterben wollte, dann ist das für die Seele kein Problem, denn für sie bedeutet Sterben das Ende und gleichzeitig den Beginn einer neuen Welt. Sozusagen Alltag. "Kein Problem, machen wir uns auf in eine neue Welt, mal schauen was es dort so gibt!" Würde sie sagen, die Flügel ausbreiten und davonfliegen um sich einen anderen Körper zu suchen. 
Der Körper dagegen lebt nur einmal. Stirbt er, bleibt nichts zurück, es wäre dann so, als ob nichts geschehen wäre. Alles andere um uns herum hat mehr Bedeutung, Wörter, Bilder, ja Ideen oder Gedanken leben länger, tragen zur Ewigkeit bei. Aber der Körper nicht. Er ist nur da, um den Fortbestand der menschlichen Art zu sichern, und natürlich darauf aus, das Leben solange wie möglich zu geniessen. Er hat ja nur das. "Du kannst mich mal!" Würde er sagen und den Mittelfinger zeigen. Dann würde er auflachen und einem bessere Gesundheit denn je bescheren. Was für ein Dilemma! 
Man kann diesen natürlichen Vorgang auch mit der Legende des Abraxas beschreiben. Dieser Vogel zerstört seine alte Welt, und macht sich auf, um eine neue zu erschaffen. Dabei ist das Ei, aus welchem er schlüpft wie der Körper, der sich anstrengt nicht zerbrochen zu werden, dem Druck irgendwann aber nicht mehr standhalten kann. Der Vogel ist wie die Seele, er ist angewiesen auf sein Ei, auf seinen Körper, aber wenn ihm danach ist, dann zerstört er ihn einfach. Ist die Seele also mächtiger als der Körper selbst? Scheint so. Müsste die Seele dann nicht über den Körper und dessen Todesdatum bestimmen können? Nein, denn der Wunsch zum Sterben oder eben nicht liegt in einem kleinen Teil der Seele, ganz hinten in einer Ecke. Und dieser hat absolut keinen Einfluss auf die Entscheidungsgewalt der Seele. Wahrscheinlich spielen Körper und Geist Karten miteinander. Oder sie ziehen Grashalme. So wird die Entscheidung gefällt, nicht in Absprache mit mir selber, dem kleinen Teil in der Ecke der grossen Seele.
Aber es soll gesagt sein: Auch wenn wir uns gerade alle in einer Aufbruchs- und Zerstörungsstimmung befinden, ich bereue es nicht. Es war mir eine Ehre, einen Teil der alten Welt zu sein, und es war mir eine grosse Freude diese kennenzulernen, mitsamt den betreffenden Menschen darin. 
Mir liegt noch etwas anderes auf der Zunge, aber ich denke, für dieses eine Mal sage ich es nicht. 

Kommentare

  1. Faszinierende Gedanken und eine schöne Einstellung dazu...viel Kraft! :-*

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